Kunst ist nicht nur Ausdruck des ästhetischen Empfindens des Menschen. Sie bietet auch die Möglichkeit, die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten – durch die Augen eines kreativen Menschen. Diese Perspektive wird stark von der Herkunft und der persönlichen Geschichte eines Menschen geprägt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, bot die Ausstellung der Künstlerin Malgorzata Mirga-Tas, welche am 8. Juli von den START-Vorarlberg Stipendiat:innen besucht wurde.



Malgorzata Mirga-Tas ist eine Künstlerin aus dem Süden Polens und stammt aus einer Roma-Familie. In ihren Werken erzählt sie die Geschichte des Roma-Volkes – mit besonderem Fokus auf die Geschichte der polnischen Roma und ihrer eigenen Familie. Malgorzata lebt im Dorf Czarna Góra nahe der slowakischen Grenze. Als Angehörige der sesshaften Roma lebt ihre Familie seit über zweihundert Jahren in dieser Region.
Für ihre Werke nutzt sie alte Fotografien, Gemälde und Drucke als Inspirationsquelle. Ihre sogenannten „dreidimensionalen“ Bilder entstehen durch die Kombination verschiedener bildkünstlerischer Techniken. Einen Teil malt sie mit der Hand, andere Elemente gestaltet sie als Applikationen aus alten Kleidungsstoffen. Weitere Bestandteile entstehen aus Alltagsgegenständen – zum Beispiel Schmuckstücke –, was der Arbeit ihre besondere „Dreidimensionalität“ verleiht.



Begleitet wurden die Stipendiat:innen von Julia, einer Mitarbeiterin des Kunsthaus Bregenz. Sie führte zunächst durch die Ausstellung der polnischen Künstlerin, die den Titel Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer trägt. Neben allgemeinen Werken zur Roma-Geschichte war auch eine begehbare Installation zu sehen – eine Art „Schmiede“, die wie ein kleines Haus aufgebaut ist und aus Werken von Malgorzata besteht. Sie erinnert an die Vergangenheit ihrer Familie: Ihr Großvater war ein geschickter Schmied – ein Handwerk, das der Familie eine sesshafte Lebensweise ermöglichte.
Neben diesen Bildwerken erschafft die Künstlerin auch lebensgroße Skulpturen von Menschen – etwa 175–180 cm hoch –, die sie Jangare nennt. Sie bestehen aus Wachs, Holzkohle und Pelz und ähneln Schutzfiguren oder Totems.
Ein weiteres zentrales Element in Mirga-Tas’ Werk sind Bärenfiguren aus den gleichen Materialien, die im Inneren ein „Herz“ aus schwarzem Glas tragen. Bären spielen eine besondere Rolle in der mündlichen Überlieferung der Roma – sie gelten als Schutztiere. Ob es damit zusammenhängt, dass wandernde Roma früher oft gezähmte Bären mit sich führten, lässt sich nicht sicher sagen. Diese Tiere waren Teil kleiner Zirkusvorführungen, die die Roma auf ihren Reisen in verschiedenen Dörfern zeigten.



Nach dem Rundgang, bei dem die Stipendiat:innen viele interessante Fragen zu Mirga-Tas’ Kunst stellten, hatten sie die Möglichkeit, sich selbst kreativ auszudrücken – auch im Stil der Künstlerin, mithilfe von Stoffresten und kleinen Dekoelementen.
Trotz der außergewöhnlichen und teils extravaganten Gestaltung kam die Ausstellung bei den Stipendiatinnen – wie auch bei vielen anderen Besucherinnen des Kunsthaus Bregenz – sehr gut an. Sie bot einen neuen, bewegenden Blick auf die Geschichte eines Volkes, über das noch immer viel zu wenig gesprochen wird.
Ein Bericht von Stipendiat Denys Samborskyi
Sidra: „Normalerweise versteht man bei Besuchen im Kunsthaus ohne Führung nur wenig von den Kunstwerken und deren Hintergrundgeschichte, da es niemanden gibt, der sie uns näher erklärt. Umso mehr habe ich es geschätzt, dass Julia uns die Werke und die Geschichte der Künstlerin Malgorzata Mirga-Tas so ausführlich und lebendig vermittelt hat. Dadurch konnte ich die Bilder mit ganz anderen Augen betrachten und ihre tiefere Bedeutung besser nachvollziehen.Besonders beeindruckend fand ich, dass jedes Stockwerk eine eigene Geschichte erzählte, die dennoch mit den anderen Etagen inhaltlich verbunden war – das hat mich sehr fasziniert. Ein weiteres Highlight war, dass wir am Ende selbst ein Werk mit bunten Stoffresten im Stil der Künstlerin gestalten durften.“
Yousif:„Das Kunsthaus war ein ruhiger Ort. Mir war nicht bewusst, dass Kunst so interessant sein kann, denn ich dachte, es hätte nichts mit meinem Leben zu tun. Ich habe gedacht, es wäre nur eine Beschäftigung gegen Langeweile, doch Kunst ist vielmehr als das.“
Osama: „Ich fand den Workshop im KUB extrem interessant. Es hat mir die Geschichte der Roma und Sinti nochmal aus einer anderen Sichtweise gezeigt.“